Anmerkung zu BFH v. 29.5.2024, XI B 3/23

Ermäßigter Steuersatz, Gastronomieumsätze in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2023, Dinnershow

Praxisproblem
Bei der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG Sachsen v. 6.12.2022, 1 K 281/22 ging es um die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes mit Blick insbesondere auf die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG. Danach gilt für die nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken, der ermäßigte Steuersatz.

Sachverhalt
Die Klägerin (K) veranstaltet jährlich in den Monaten November und Dezember  eine Dinnershow. Sie bietet ihren Gästen gegen ein Entgelt (Eintritt) ein mehrgängiges Menü mit Unterhaltung durch Artisten und Musiker an. Getränke werden gesondert in Rechnung gestellt. K machte in den Voranmeldungen für März bis Juni 2021 negative Umsätze zu 19 % geltend, weil sie davon ausging, dass bereits mit 19 % versteuerte Umsätze aus dem Vorverkauf nunmehr mit 7 % zu versteuern seien. Für die in den Monaten Juli und September 2021 erlösten Umsätze aus dem Vorverkauf berechnete sie die den Voranmeldungen zugrunde gelegten Umsätze ebenfalls mit 7 %. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Umsätze aus dem Vorverkauf für die Dinner-Show dem Regelsteuersatz von 19 % unterlägen.

Das FG Sachsen hatte entschieden, ein Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste (sog. Dinner-Show), bei dem es sich um eine einheitliche, komplexe Leistung handelt, unterliege weder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG noch nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem ermäßigten Steuersatz. In Zusammenschau der beiden genannten Vorschriften des UStG sei der ermäßigte Steuersatz aber im Wege der erweiternden Auslegung auf die Leistung „Dinner-Show" anzuwenden. Denn insoweit liege unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes eine planwidrige Regelungslücke vor.

Das FG hatte argumentiert, eben der Gastronomie hätten auch andere Bereiche, wie Cateringunternehmen, der Lebensmitteleinzelhandel, Bäckereien und Metzgereien, von der zeitweiligen Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG profitiert, soweit sie mit der Abgabe verzehrfertig zubereiteter Speisen entsprechende Dienstleistungen erbringen. Hieraus ergebe sich, dass die vorübergehende Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht auf Gastronomiebetriebe im engeren Sinne beschränkt sein sollte, sondern auch andere Bereiche erfassen soll, die neben Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen andere Leistungen (teils zum ermäßigten, teils zum Regelsteuersatz) erbringen. Es sei bei der gesetzlichen Regelung nicht bedacht worden, dass in Fällen, in denen sich die Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung als Bestandteil einer komplexen Leistung darstellt und die Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung nicht den Hauptbestandteil der einheitlichen Leistung bildet, diese von der Begünstigung ausgeschlossen sein könnte. Denn in Fällen, in denen bei einer komplexen Leistung ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, teilten die Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistung. Ein Ausschluss einer komplexen Leistung von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes stelle zumindest dann einen Wertungswiderspruch zu der gesetzlichen Regelung dar, wenn die Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung gleichwertiger Bestandteil der Leistung neben einem weiteren Leistungsbestandteil ist, der seinerseits dem ermäßigten Steuersatz unterläge, wenn dieser den Hauptbestandteil der komplexen Leistung bildete.


Entscheidung
Der BFH die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Nach dem BFH-Beschluss findet der ermäßigte Steuersatz auf eine einheitliche komplexe Leistung Anwendung, die sich aus zwei gleichwertigen Elementen zusammensetzt, die beide dem ermäßigten Steuersatz unterliegen - hier nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a bzw. § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG. 

Praxishinweis 
Der Beschluss hat in der Praxis erhebliche Bedeutung, auch über die Dinner-Show-Fälle hinaus. Wenn nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und der andere nicht, kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewandt werden. Wenn sich aber, wie z.B. bei einer Dinnershow in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2023, die Steuerermäßigung für die beiden Elemente der Dinnershow (Theater o.ä und Restaurantdienstleistung) als einheitliche komplexen Leistung aus § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG bzw. aus § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG zugleich ergibt, folgt daraus, dass die einheitliche komplexe Leistung selbst (auch) der Steuerermäßigung unterliegt. Somit müssen bei einer einheitlichen Leistung alle Leistungsbestandteile für sich genommen auf eine etwaige Steuersatzermäßigung abgeprüft werden. Unterliegen alle Leistungsbestandteile jeweils für sich dem ermäßigten Steuersatz, ist die Gesamtleistung, auch wenn diese wiederum eine Leistung eigener Art ist, insgesamt steuerermäßigt. Dies gilt nicht, wenn auch nur ein Leistungsbestandteil für sich genommen der Regelsteuersatz unterliegen würde. Auf eine etwaige planwidrige Regelungslücke seitens des Gesetzgebers, wie das FG Sachsen argumentiert hatte, kommt es dabei gar nicht an.
 

Quelle

Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof

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