Anmerkung zu BFH v. 18.1.2024, V R 4/22

Klarierungsagent (Schiffsmakler), Steuerbefreiung, Vermittlungsleistung,

Praxisproblem
Bei dem Revisionsverfahren V R 4/22 ging es um die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG. Nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG sind die Umsätze für die Seeschifffahrt (und für die Luftfahrt steuerfrei). Nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG ist auch die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei (mit Vorsteuerabzug). Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Seehafen-Spedition Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung (Schiffsabfertigung und -versorgung) von Seeschiffen erbrachte.


Sachverhalt
Die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe (Schifffahrtsgesellschaften) beauftragten einen - auch als Schiffsmakler bezeichneten - Klarierungsagenten. Im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Klägerin (K, die Seehafenspedition), schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte der Klarierungsagent die K per E-Mail über die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung während der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Klägerin bis zu 70 unterschiedliche Leistungen. 

K rechnete - getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen - gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete. 

Der Klarierungsagent erhielt von K eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das K für die von ihr gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. Über diese Provision erteilte K dem Klarierungsagenten - getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen - Gutschriften und wies dabei USt aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.

Das Finanzamt versagte K den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25 %, da K die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gemäß § 4 Nr. 2 i.V.m.§ 8 UStG steuerfrei gewesen seien.

Das FG Hamburg hatte die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug bezüglich der Gutschriften über Maklerprovisionen seien nicht gegeben, da die Provisionsleistungen gemäß § 4 Nr. 5 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei seien, weil die vermittelten Leistungen gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG steuerfrei seien.


Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben. Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von - zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden - Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, so dass nach dem BFH-Urteil nur eine Vermittlungsleistung vorliegt, nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen. Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.


Praxishinweis 
Die BFH-Entscheidung erläutert nach den Prinzipien der Einheitlichkeit der Leistung den Begriff der Vermittlungsleistung im Zusammenhang mit Umsätzen für die Seeschifffahrt. So ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. In diese Gesamtbetrachtung ist die maßgebliche Interessenlage der Beteiligten, wie sie sich aus den der Leistungserbringung zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen ergibt, einzubeziehen. Auf deren Grundlage ergibt sich vorliegend die Einheitlichkeit der Vermittlungsleistung aus dem von allen Beteiligten verfolgten Zweck, die Klarierung innerhalb der geplanten Liegezeit eines Seeschiffes durchzuführen und in dieser Zeit Schiff und Besatzung für die Weiterfahrt mit allen hierfür erforderlichen Leistungen zu versorgen. Daran ändert sich nicht dadurch, dass die dem Klarierungsagenten zustehende Provision nicht pauschal berechnet wird, sondern eine Provisionsabrede in Gestalt einer Absprache über den variablen Preis einer (einzigen) Vermittlungsleistung darstellt.

Somit ist die Aufteilung einer einheitlichen Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil nicht möglich. Eine einheitliche Leistung hat auch einheitliche Rechtsfolgen, unterliegt also insgesamt dem selben Steuersatz bzw. gegebenenfalls der selben Steuerbefreiung.


Quelle

Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof

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