EuGH zur Warenverkehrsbescheiniung

 

EuGH, Urteil vom 24.10.2013, C-175/12 (Sandler)

In einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH hat dieser mit Urteil vom 24.10.2013 (Rechtssache C-175/12) im Sinne der Klägerin entschieden.

Das Vorabentscheidungsersuchen betraf u.a. die Auslegung des Art. 889 Abs. 1 UAbs. 1 ZK-DVO sowie der Art. 16 und 32 des Protokolls Nr. 1 zu Anhang V des am 23.06.2000 in Cotonou unterzeichneten Abkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (im Folgenden: AKP-Ursprungsprotokoll). Streitig zwischen der Klägerin und dem beklagten Hauptzollamt war in diesem Zusammenhang u.a. die Frage nach der Gültigkeit einer nachträglichen vorgelegten Warenverkehrsbescheinigung EUR.1, ausgestellt von den nigerianischen Behörden. Grund für die nachträgliche Erstellung war der Umstand, dass die ursprünglichen Warenverkehrsbescheinigungen für Einfuhren in den Jahren 2005 und 2007 einen Stempel trugen, der nicht mit dem von den nigerianischen Behörden übermittelten Musterabdruck übereinstimmte und aus diesem Grund im Rahmen einer nachträglichen Prüfung durch das beklagte Hauptzollamt im Jahr 2008 nicht anerkannt wurden. Die Einfuhrabgaben wurden mit dem Hinweis nacherhoben, dass bei Vorlage einer neu ausgestellten EUR.1-Bescheinigung eine Erstattung möglich sei. Im September 2008 beantragte die Klägerin die Erstattung unter Vorlage neuer Bescheinigungen, die mit dem „richtigen“ Stempel und dem Hinweis „being issued in replacement of EUR.1 …“ versehen waren. Sie enthielten dagegen nicht einen in Art. 16 Abs. 4 des AKP-Ursprungsprotokolls vorgesehenen Vermerk „nachträglich ausgestellt“. Das HZA lehnte wiederum eine Erstattung ab, da nach Art. 889 Abs. 1 ZK-DVO die nachträgliche Gewährung einer Präferenz nur zulässig sei, wenn der beantragte Zollsatz auch im Zeitpunkt des Erstattungsantrages gültig sei. Tatsächlich war die Präferenzregelung des Cotonou-Abkommens am 31.12.2007 ausgelaufen.

Dem ist der EuGH entgegen getreten. Art. 889 Abs. 1 UAbs. 1 ZK-DVO sei dahin auszulegen, dass er einem Erstattungsantrag nicht entgegenstehe, wenn im Zeitpunkt der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr eine Präferenzregelung beantragt und gewährt worden ist, die nationalen Zollbehörden aber erst später  - nach Auslaufen der Präferenzregelung - den Differenzzollbetrag zum Drittlandszollsatz aufgrund einer nachträglichen Prüfung nacherheben. Im Fall der Abweichung zwischen dem Stempelabdruck auf einer Warenverkehrsbescheinigung und von den Behörden des Ausfuhrstaates übermittelten Musterabdrucks können die Zollbehörden des Einfuhrstaates anstelle der Einleitung eines Nachprüfungsersuchens nach Art. 32 des AKP-Ursprungsprotokolls die Bescheinigung zwar zurückweisen und dem Einführer zurück geben. Legt dieser aber nachträglich neue Warenverkehrsbescheinigungen vor, dürfen die Zollbehörden des Einfuhrstaates diese als nachträglich ausgestellte EUR.1 im Sinne des Art. 16 Abs. 1 des AKP-Ursprungsprotokolls nicht zurückweisen, wenn der in Art. 16 Abs. 4 des AKP-Ursprungsprotokolls vorgesehen Vermerk zur „Nachträglichkeit“ nicht enthalten ist, aber ein anderer Hinweis dies deutlich macht. Sofern die Zollbehörden an der Echtheit der Bescheinigungen oder Ursprungseigenschaft zweifeln, sind sie verpflichtet, das in Art. 32 AKP-Ursprungsprotokoll vorgesehene Nachprüfungsersuchen durchzuführen.

Das Urteil des EuGH ist von grundsätzlicher Bedeutung, da es alle Präferenzregelungen der Europäischen Union betrifft. Die hier behandelten Rechtsfragen zum Nachprüfungsersuchen  und zur nachträglichen Ausstellung von Ursprungsnachweisen spielen in allen noch geltenden Präferenzabkommen eine wichtige Rolle.