14. Sanktionspaket gegen die Russische Föderation

Die Europäische Union (EU) hat am 24.06.2024 das 14. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen und damit die Beschränkungen im Außenwirtschaftsverkehr erneut verschärft. Das Sanktionspaket enthält Änderungen der Verordnung (EU) 833/2014 sowie der Verordnung (EU) 269/2014 und beinhaltet unter anderem neue Maßnahmen gegen die Sanktionsumgehung, güter- und personenbezogene Sanktionen sowie rechtliche Gegenmaßnahmen gegen staatliche Versuche Russlands, die Wirkungen der EU-Sanktionen abzuschwächen. Auch sind im 14. Sanktionspaket neue Genehmigungsmöglichkeiten, Erweiterungen des Kreises der Partnerländer und bestimmte Verbotsausnahmen enthalten. Nachstehend genannte Artikel ohne näheren Verordnungsbezug sind solche der Verordnung (EU) 833/2014.
 

Maßnahmen zur Bekämpfung der Sanktionsumgehung
Ein Hauptziel des neuen Sanktionspaketes ist es, die Umgehung der bestehenden Handelseinschränkungen weiter zu erschweren. Zu diesem Zweck wurde unter anderem der neue Artikel 8a eingefügt. Dieser sieht vor, dass in der EU ansässige Wirtschaftsbeteiligte „nach besten Kräften“ darauf hinwirken müssen, dass in ihrem Eigentum bzw. unter ihrer Kontrolle stehende drittländische (Tochter-)Gesellschaften nicht an Handlungen mitwirken, welche die EU-Sanktionen gegen Russland „untergraben“. Durch welche Maßnahmen ein Unternehmen dieser Bemühenspflicht im Einzelnen nachkommt, ist der Verordnung nicht zu entnehmen. Den Erwägungsgründen ist insoweit nur ganz abstrakt zu entnehmen, dass zur Erfüllung dieser Pflicht etwa „geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren“ umgesetzt werden könnten, die darauf abzielen die (Umgehungs-)Risiken zu mindern und wirksam zu managen. Dabei sollten Faktoren wie das Drittland der Niederlassung, der Wirtschaftszweig und die Art der Tätigkeit der betroffenen drittländischen Entität, berücksichtigt werden (siehe Erwägungsgrund 30). Ob der Inhalt dieser (andernfalls nebulös anmutenden) Bemühenspflicht – etwa über entsprechende FAQ – näher konturiert wird und ob eine Zuwiderhandlung gegen Art. 8a nach nationalem Recht zudem eine Sanktionsbewehrung erfährt, bleibt abzuwarten. Ersichtliches Ziel von Art. 8a ist die Wirkung der ansonsten nicht extraterritorial wirkenden EU-Sanktionen durch die Pflicht zur Einflussnahme auf Tochtergesellschaften auszuweiten und den Handelsbeschränkungen damit eine faktisch größere Reichweite zu verleihen.

Denselben Zweck verfolgend und in Ergänzung zu der in Artikel 12g bereits geregelten No-Reexport-to-Russia-Clause wurden mit den Artikeln 12ga und 12gb neue Pflichten für die besonders kriegsrelevanten Güter des Anhangs XL und den Umgang mit diesbezüglichem geistigen Eigentum bzw. zugehörigen Geschäftsgeheimnissen eingeführt. Hierzu zählt nach Art. 12gb Abs. 1 insb. auch die Pflicht Weiterlieferungsrisiken (auch über eigene Tochtergesellschaften) zu analysieren und Maßnahmen zum Umgang mit diesem Risiko zu ergreifen (Risikomanagement/Risikominimierung) sowie gem. Art. 12gb Abs. 3 drittländische Tochtergesellschaften zu ebensolchen Maßnahmen zu verpflichten.

Hinsichtlich des ohnehin nach Art. 12 bestehenden Umgehungsverbots wurde nun klargestellt, dass von einer vorsätzlichen (und damit verbotenen) Umgehung im Sinne der Norm auch dann auszugehen ist, wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten der Umgehungszweck/-wirkung zwar nicht „absichtlich“ angestrebt wird, es aber „für möglich gehalten wird“, dass die eigene Tätigkeit diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und diese Möglichkeit „billigend in Kauf genommen“ wird.


Erweiterung der güterbezogenen Verbote
Das 14. Sanktionspaket bringt auch Neuerungen im Bereich der güterbezogenen Sanktionen mit sich. Auf der Exportseite wurden unter anderem der für die Verbote aus Artikel 2a und 2b relevante Anhang VII ergänzt (aufgenommen wurden beispielsweise: Mikrowellen- und Antennenverstärker, sogenannte „geländegängige Fahrzeuge“ sowie digitale Flugdatenschreiber). 

Ebenso wurde der für die Verbote aus Artikel 3k relevante Anhang XXIII ergänzt (aufgenommen wurden beispielsweise: Manganerze, Chloride, feuerfeste Zemente, Chemikalien für Batterien, Zelluloseprodukte und ihre Derivate, Motoren für alle Arten von Fahrzeugen sowie eine begrenzte Anzahl von Autoteilen, Geräte für Rohrleitungen, elektrische Geräte, Monitore, Radios sowie Video- und Audioanlagen).

Da Russland erheblich in die Produktion von Helium investiert, wurde Helium in den für Artikel 3i relevanten Anhang XXI aufgenommen wonach dessen Einfuhr aus Russland zukünftig untersagt ist. Zudem wurde das Einfuhrverbot für Diamanten präzisiert und Klarstellungen zu Artikel 3p dahingehend vorgenommen, dass Diamanten, die sich vor Inkrafttreten des Verbots in der EU oder in Drittländern befanden, von dem Verbot ausgenommen sind.

Der neu eingeführte Art. 3v verbietet fortan den Kauf, die Einfuhr wie auch den Verkauf und die Ausfuhr von Kulturgütern, die zum kulturellen Eigentum der Ukraine gehören (sowie von sonstigen Gegenständen von archäologischer, historischer, kultureller, besonderer wissenschaftlicher oder von religiöser Bedeutung), wenn „der begründete Verdacht besteht“, dass die Güter ohne Einwilligung ihrer rechtmäßigen Eigentümer oder unter Verstoß gegen ukrainisches Recht oder Völkerrecht aus der Ukraine entfernt wurden. Das Verbot erstreckt sich ebenfalls auf akzessorische Dienste in Bezug auf derartige Güter.


Sanktionsausweitung im Bereich der Energiewirtschaft
Um die Einnahmen Russlands aus dem Verkauf und Transport von Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas (LNG)) zu verringern, wurden auch in diesem Bereich Neuerungen in die Sanktionsverordnung aufgenommen. So verbieten zum Beispiel die neu eingeführten Artikel 3r und 3t Weiterverladungsdienste für LNG in EU-Häfen, wenn dies zur Verwendung des Gases außerhalb der EU bestimmt ist; verboten sind auch akzessorische Dienstleistungen. Auch wurden Verbote für die Lieferung von Gütern, Technologien oder Dienstleistungen für im Bau befindliche LNG-Projekte in Russland (betrifft z.B. „Arctic LNG 2“ oder „Murmansk LNG“) eingeführt, vgl. Art. 3t.


Sanktionsausweitung im Bereich der Transportwirtschaft
Das neue Sanktionspaket enthält zudem transportbezogene Maßnahmen und Klarstellungen sowohl für den See-, den Land- und den Luftweg.

In Bezug auf Schiffe, die dazu beitragen, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine führen kann, werden über Art. 3s umfangreiche Verbote etwa bzgl. der Gewährung des Zugangs zu Häfen und Schleusen aber auch bzgl. des Erwerbs, des Verkaufs, der Einfuhr und der Erbringung von Dienstleistungen/technischen Hilfen eingeführt. Die insgesamt 27 Schiffe, die momentan diesen neu eingeführten restriktiven Maßnahmen unterliegen, sind in Anhang XLII genannt.

Die Möglichkeit für natürliche oder juristische russische Personen sich in der EU als Kraftfahrzeugunternehmen zu betätigen wird eingeschränkt, ebenso erfolgten mit dem neuen Sanktionspaket Klarstellungen im Bereich der bereits länger etablierten Verbote im Luftfahrtbereich.


Gegenmaßnahmen der EU als Reaktion auf russische Maßnahmen zur Sanktionsabschwächung
In der Vergangenheit hat Russland verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen von Sanktionen zu schmälern. Hierauf reagiert die EU nun unter anderem mit folgenden Maßnahmen:

Der neu eingeführte Art. 5ac soll den weiteren Ausbau russischer Zentralbanksysteme zur Übermittlung von Finanzmitteilungen (z.B. SPFS) eindämmen. Mit dem SPFS-System versucht die russische Administration die Auswirkungen der Sanktionen, insbesondere in Bezug auf den Banken- und Finanzsektor, zu neutralisieren. Gemäß dem neu eingeführten Art. 5ac gelten ab dem 25.07.2025 bestimmte Verbote bezüglich eines Anschlusses/Verbindung mit SPFS oder gleichwertigen Systemen. Gleichzeitig können drittländische Entitäten (außerhalb Russlands), die SPFS oder vergleichbare Systeme nutzen, über eine Listung in dem neu eingeführten Anhang XLIV mit einem Transaktionsverbot belegt werden. Hierzu können neben Kredit- und Finanzinstituten bspw. auch Dienstleister für Kryptowährungen zählen. Ausweislich der Erwägungsgründe zum neuen Sanktionspaket soll es den EU-Wirtschaftsteilnehmern durch diese neuen Maßnahmen jedoch nicht verboten, mit solchen russischen Wirtschaftsteilnehmern Geschäfte zu tätigen, die SPFS nutzen, sofern die EU-Wirtschaftsbeteiligten sich jedenfalls nicht selbst mit dem SPFS verbinden.

Als Reaktion auf die russischen Bemühungen, EU-Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums in Russland unrechtmäßig ihre Schutzrechte zu entziehen, werden bestimmte Beschränkungen für die Annahme von Anträgen auf Eintragung bestimmter Rechte des geistigen Eigentums in der EU durch russische Staatsangehörige, Personen mit Wohnsitz in Russland und russische Unternehmen eingeführt. Ebenso wurde mit Art. 5ab und den Anhang XLIII die Möglichkeit individueller Transaktionsverbote geschaffen, um russische Wirtschaftsteilnehmer, die von bestimmten (neu eingeführten) Vorschriften der russischen Schiedsgerichtsordnung Gebrauch machen, zu sanktionieren. Diese russischen Vorschriften verfolgten das Ziel, die Befriedigung von Ansprüchen gegen EU-Unternehmen in einem ausländischen Hoheitsgebiet zu erzwingen, deren Befriedigung andernfalls gemäß den EU-Sanktionen untersagt wäre. Vor diesem Hintergrund sollen den EU-Wirtschaftsbeteiligten durch die neu eingeführten Art. 11a, Art. 11b zudem bessere Rechtsschutzmöglichkeit zur Erlangung von Ersatz wegen durch die Sanktionsbefolgung erlittene Schäden eingeräumt werden.

Als Reaktion auf anhaltende russische Propaganda- und Desinformationskampagnen sieht Art. 5t nun für politische Parteien, Stiftungen, Bündnisse, Nichtregierungsorganisationen (einschließlich Denkfabriken und Medien) in der EU ein umfassendes Verbot der (unmittelbaren/mittelbaren) Annahme von Vorteilen (u.a. Finanzmittel, Zuwendungen oder sonstige wirtschaftliche Vorteile) vonseiten Russlands vor.

Neue Genehmigungsmöglichkeiten, Freistellung und Erweiterung der Liste mit Partnerländern
Das 14. Sanktionspaket enthält jedoch auch einzelne Regelungen, die für weitere Ausnahmefälle einen Dispens bzw. Genehmigungsmöglichkeiten vorsehen.

Mit dem neu in Art. 11 eingefügten Abs. 4 wurde als Ausnahme vom sog. Erfüllungsverbot ein Genehmigungstatbestand eingeführt, um die Befriedigung bestimmter Ansprüche, die von russischen Personen, Organisationen und Einrichtungen vorgebracht werden, zu ermöglichen, wenn diese Anspruchsbefriedigung für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist. Es bedarf hierfür einer Einzelfallgenehmigung durch die zuständige nationale Behörde.

Neu ist auch Art. 12h VO (EU) 833/2014, wonach in Bezug auf das ungarische zivilnukleare Vorhaben Paks II die in der Russland-Sanktionsverordnung vorgesehenen Verbote nicht für Tätigkeiten gelten, die für die Einrichtung und den Betrieb ziviler nuklearer Kapazitäten dieses Projekts, Instandhaltung, Versorgung mit und die Wiederaufbereitung von Brennelementen und für die Sicherheit und die Weiterführung der Planung, des Baus und die Abnahmetests für die Indienststellung der dortigen zivilen Atomanlagen erforderlich sind. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme bedarf einer Meldung an die zuständigen nationalen Behörden. Vergleichbar hierzu gibt es in einzelnen Verbotsnormen nun punktuelle Genehmigungsmöglichkeiten für die Durchführung des Projekts Sakhalin-2, welches für die Energiesicherheit Japans von Bedeutung ist.

Weiter wurde der Anhang VIII um zwei weitere Partnerländer (Liechtenstein und Island) erweitert, mit der Folge, dass von nun an auch für diese Länder die korrespondierenden Privilegierungen (z.B. nach Art. 12g) gelten.


Erweiterungen der personenbezogenen Sanktionen
Schließlich wurden auch in diesem Sanktionspaket die personenbezogenen Sanktionen abermals ausgeweitet.

So wurden u.a. 61 zusätzliche natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen in Anhang IV aufgenommen, d. h. in die Liste derjenigen, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen. Für diese Entitäten gelten strengere Verkaufs-, Liefer-, Verbringungs- und Ausfuhrverbote bzgl. bestimmter Güter. Die neu aufgenommenen Entitäten stammen aus Russland, China/Hongkong, der Türkei, Kirgisistan, Indien, Kasachstan und den Vereinigten Arabischen Emiraten und wurden aufgenommen, weil sie an der Umgehung von Handelsbeschränkungen und an der Beschaffung sensibler Güter beteiligt sind oder die russischen Streitkräfte materiell unterstützen.

Außerdem wurden aufgrund der Durchführungsverordnung (EU) 2024/1746 insg. 116 neue Personen und Entitäten in den Anhang Ider Verordnung (EU) 269/2014 aufgenommen. Für diese gelten fortan Finanzsanktionen (Einfriergebote und Bereitstellungsverbote) und – für die hierunter neu gelisteten 69 natürlichen Personen – gelten fortan Reisebeschränkungen. Die Listungen betreffen verschiedene Sektoren des russischen Staates, darunter Militärunternehmen, Unternehmen, die in der Raumfahrttechnik, im Chemiesektor oder in der Sprengstoffbranche tätig sind sowie führende russische Energieunternehmen. Die Listen enthalten auch Akteure, die an Desinformations-/Propagandaaktivitäten zur Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beteiligt sind.
 

Quellen

Verordnung (EU) 2024/1745 

Durchführungsverordnung (EU) 2024/1746 

Questions and Answers on the 14th package of restrictive measures against Russia 

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