Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.02.2014, C-18/13, Maks Pen EOOD

Praxisproblem

Das Recht auf Vorsteuerabzug kann zweifelhaft und die Anforderungen an die Nachweis-pflichten können in den Fällen strenger sein, in denen nicht eindeutig feststeht, ob bestimmte Eingangsleistungen für das Unternehmen tatsächlich erbracht und von wem diese Leistungen ausgeführt wurden. Der EuGH war in dem bulgarischen Verfahren aufgefordert zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen in solchen Fällen der Vorsteuerabzug versagt werden kann.

Diese Entscheidung ist von besonderer Bedeutung auch im Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben vom 07.02.2014 (Vorsteuerabzug bei Lieferung in Betrugsabsicht) – siehe separate Besprechung in diesem Rundschreiben.

Sachverhalt


Der Kläger ist ein Großhändler für Büromaterialien. Im Rahmen einer Steuerprüfung wurde ihm der Vorsteuerabzug auf Eingangsleistungen versagt. Zwar lagen Rechnungen für diese Leistungen vor, welche auch vom Kläger tatsächlich bezahlt worden waren. Die bulgarische Finanzbehörde bezweifelte jedoch, dass die Leistungen tatsächlich von den in den Rechnungen angegebenen Leistenden erbracht worden waren. Die Finanzbehörde hatte festgestellt, dass die tatsächlichen Erbringer einiger der in Rechnung gestellten Dienstleistungen nicht die in den entsprechenden Rechnungen angegebenen Leistenden waren, sondern deren Subunternehmer. Des Weiteren hätten Leistende, die keine Subunternehmer hatten, nicht hinreichend nachgewiesen, dass sie personell und technisch in der Lage gewesen seien, die abgerechneten Leistungen auszuführen.

Der Kläger war der Auffassung, dass alle Voraussetzungen für die Anerkennung seines Vorsteuerabzugs erfüllt seien. Er führte an, dass er über ordnungsgemäß ausgestellte Rechnungen verfüge, die bezahlt und ordnungsgemäß angemeldet worden seien. Die in den streitigen Rechnungen ausgewiesenen Dienstleistungen seien tatsächlich erbracht worden und dies sei hinreichend bewiesen.

Entscheidung


Zum Nachweis der tatsächlichen Erbringung der bezogenen Leistungen verweist der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung zur Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung. Danach kann der Vorsteuerabzug nur versagt werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb der Gegenstände bzw. Inanspruchnahme der Dienstleistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Hinsichtlich der Beurteilung des vorgelegten Falles verweist der EuGH auf die Zuständigkeit des nationalen Gerichts. Er weist aber auch darauf hin, dass folgender Umstand für sich genommen nicht ausreichen würde, um den Vorsteuerabzug auszuschließen:

  • dass die erbrachte Leistung nicht tatsächlich von dem in den Rechnungen angegebenen Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden sein soll, weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügt hätten,
  • dass die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert worden seien oder
  • dass die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet hätten, sich als falsch erwiesen habe.

Die aufgeworfene Frage, ob das nationale Gericht im Rahmen der Prüfung des Vorsteuerabzugs das Vorbringen neuer Tatsachen zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung berücksichtigen muss, bejaht der EuGH zwar grundsätzlich, verweist aber auf die Regeln des nationalen Rechts.

Des Weiteren hatte der EuGH über die Vereinbarkeit von nationalen Aufzeichnungspflichten, die auf internationalen Rechnungslegungsstandards beruhen, mit Art. 242 und 273 MwSt-SystRL zu befinden. Er bejaht die Zulässigkeit solcher Aufzeichnungspflichten, soweit sie für die Erreichung der Ziele, eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern, erforderlich sind.

Eine nationale Rechtsvorschrift wie die des bulgarischen MwStG, wonach eine Dienstleistung als zu dem Zeitpunkt erbracht gilt, zu dem die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erträge nach nationalen Vorschriften zur Buchführung und der anwendbaren Rechnungslegungsstandards aus ihr erfüllt sind, hält der EuGH allerdings für unzulässig.

Praxishinweis

Das Urteil hat eine erhebliche Bedeutung für die Frage, wer welche Nachweispflicht für den Vorsteuerabzug zu erbringen hat bzw. wann dieser versagt werden kann.

Zwar hat das Urteil zunächst keinen direkten Einfluss auf die deutsche Rechtslage, da der EuGH im Wesentlichen auf die Beweiswürdigung, die in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fällt, sowie auf die Ausgestaltung des Steuerverfahrensrechts, das (mangels Richtlinienregelung) Sache des nationalen Rechts ist, eingegangen ist.

Im vorliegenden Verfahren ging es aber um einen ähnlichen Sachverhalt wie dem der Verfahren C-643/11, LVK-56 EOOD und C-642/11, Stroy trans EOOD. In diesen Verfahren hatte der EuGH mit Urteil vom 31.01.2013 u.a. entschieden, dass die Finanzverwaltung von dem Unternehmer, der einen Vorsteuerabzug geltend machen will, nicht generell verlangen kann, zu prüfen, ob der Rechnungsaussteller in der Lage war, den betreffenden Umsatz auszuführen und seinen umsatzsteuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten nachgekommen ist. Geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der betreffende Eingangsumsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, so hat die Verwaltung anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass der Umsatz in einen Steuerbetrug einbezogen war. In diesem Sinne ist das BMF-Schreiben vom 07.02.2014 – siehe dazu den separaten Beitrag in diesem Rundschreiben – bereits durch die Rechtsprechung in der Aussagekraft beschränkt.