Zeitpunkt des Zuordnungswahlrechts im Rahmen von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG

BFH, Urt. v. 11.7.2012, XI R 17/09

Praxisproblem

Die Vornahme des Vorsteuerabzugs hängt maßgeblich davon ab, dass im Zeitpunkt des Leistungsbezugs der Unternehmer die Eingangsleistung für sein Unternehmen bezogen hat. Im Falle einer sog. gemischten Verwendung eines erworbenen Gegenstandes – also einer (beabsichtigten) Verwendung sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische, private Zwecke – steht dem Unternehmer das sog. Zuordnungswahlrecht zu. Er kann den Gegenstand (im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) vollumfänglich dem Unternehmensvermögen, der Privatsphäre oder anteilig dem unternehmerischen/nicht unternehmerischen Bereich zuordnen. Im Einzelnen hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt:

  1. Die Zuordnung erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, die zeitnah zu dokumentieren ist.
  2. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung ein gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmensvermögen.
  3. Fehlen Beweisanzeichen für eine Zuordnungsentscheidung, kann diese nicht unterstellt werden.
  4. Aus dem Sofortabzug der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt der Eingangsleistung – also bei Bezug des Gegenstandes – zu treffen ist.
  5. Sie muss zeitnah erfolgen, d.h. bis spätestens zum 31. Mai des Folgejahres des Leistungsbezugs.
  6. Aus der Absicht, den Gegenstand für (steuerpflichtige) Vermietungsumsätze verwenden zu wollen, kann noch nicht auf die Zuordnungsentscheidung hinsichtlich der Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmensvermögen selbst geschlossen werden
  7. Liegt eine Zuordnungsentscheidung nicht vor, ist der Vorsteuerabzug endgültig zu versagen; dies gilt auch hinsichtlich der unstreitigen unternehmerischen Verwendung für steuerpflichtige Ausgangsumsätze.

Sachverhalt

Streitig war der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten zweier errichteter Einliegerwohnungen in einem neu errichteten Einfamilienhaus. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts lag eine konkrete Zuordnungsentscheidung seitens des Klägers nicht vor, wohl aber eine belegbare steuerpflichtige Vermietungsabsicht hinsichtlich der beiden Einliegerwohnungen.

Entscheidung

Der BFH sah die Voraussetzungen einer notwendigen Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt des Leistungsbezuges nicht als gegeben an. Die belegbare Vermietungsabsicht reichte ihm hierfür nicht aus. Darüber hinaus stellte er noch klar, dass die aus § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG folgende Aufteilung nach Schätzung durch den Steuerpflichtige hindere die Finanzbehörde und das Finanzgericht nicht, nachzuprüfen, ob die Schätzung sachgerecht sei.

Praxishinweis

Bitte beachten Sie, dass der EuGH in der Rechtssache BLC (EuGH, Urt. v. 8.11.2012 – Rs. C-511/10 – BLC Baumarkt GmbH & Co KG) den Umsatzschlüssel als regelaufteilungsmaßstab bestätigt hat, unter gewissen Vorgaben aber die national deutsche Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG (bei Grundstücken grundsätzlich Ansatz des Flächenschlüssels) als im Einzelfall unionskonform erachtet. In der Rechtssache X (EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C334/10 – X) hat der EuGH eine zunächst ausschließlich private Verwendung – im vorliegenden Fall für 23 Monate – und nachträglicher unternehmerischer Verwendung für den Vorsteuerabzug und damit für die Zuordnungsentscheidung ausreichenlassen. Voraussetzung war alleine das Feststehen der späteren unternehmerischen Verwendung. Zu der Frage, ob und wie konkret diese spätere unternehmerische Verwendung(sabsicht) im Zeitpunkt des Leistungsbezuges objektiv nachvollziehbar sein muss, brauchte der EuGH mangels an ihn gerichteter Frage nicht zu beantworten.

BFH in Kürze

BFH, Urt. v. 12.12.2012, XI R 30/10

Vermittelt ein im Inland ansässiger Unternehmer im Auftrag eines im Drittland ansässigen Unternehmers im eigenen Namen und für eigene Rechnung Mitgliedschaften in Vereinen mit Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, so liegt der Ort der Dienstleistung gem. § 3a Abs. 1 UStG am Sitz des leistenden Unternehmers im Inland. Maßgebend für die Bewertung der Dienstleistung war das Auftreten im eigenen Namen. Eine Vermittlung von Provisionsansprüchen des Auftraggebers gegenüber den Vereinen hat der BFH abgelehnt und damit die Ortbestimmung gem. § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG in der bis 31.12.2009 geltenden Fassung ausgeschlossen. Der Umsatz war auch steuerpflichtig, da weder die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG, noch die gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG (es wurden keine Umsätze vermittelt) eingreift.

BFH, Urt. v. 12.12.2012, XI R 36/10

Die unentgeltliche Abgabe eines zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels einsetzbaren Sets – bestehend aus Blutzuckermessgerätes, Stechhilfe und Teststreifen – stellt keine Abgabe eines Warenmusters dar, wenn das abgegebene Gerät einen späteren Verkauf der Teststreifen fördern soll. Die Steuerbarkeit gem. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG hängt maßgeblich davon ab, on es sich bei dem Set um ein (nicht umsatzsteuerbares) Geschenk von geringem Wert ab. Maßgebend hierfür ist die Einhaltung der Wertgrenzen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Entscheidend war für den BFH, dass unter Beachtung der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache EMI (EuGH, Urt. v. 30.9.2010 – Rs. C-581/08 – EMI Group) nicht der Absatz des abgegebenen Sets, sondern der spätere Verkauf der Teststreifen gefördert werden sollte.