BFH zur Mitwirkungspflicht eines Herstellers bei Reimporten

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 11.11.2014, VII R 21/12

Praxisproblem

Werden Waren, die zuvor aus der EU ausgeführt worden sind, später wieder in das Zollgebiet der Union eingeführt, so kann der Einführer unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag auf Befreiung dieser „Rückwaren“ gem. Art. 185 Abs. 1 UAbs. 1 Zollkodex (ZK) von den Einfuhrzollabgaben stellen.

Bei reimportierten Fahrzeugen sind häufig Teile verbaut, die zuvor in die EU importiert wurden, ohne dass sie zur EU-Ware geworden sind, und die später als Teil des Fahrzeuges wieder ausgeführt worden sind. Sollen diese Fahrzeuge reimportiert werden, können die Drittlandsteile nicht abgabenfrei als Rückwaren importiert werden, sondern müssen herausgerechnet werden.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall meldete die Einführerin die im Drittland erworbenen Pkw zum freien Verkehr an und beantragte, sie als Rückwaren gem. Art. 185 Abs. 1 Uabs. 1 ZK zu behandeln. Der Antrag wurde abgelehnt und die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren sandte das HZA das ausgefüllte Informationsblatt INF 1 an das für die Herstellerin der Fahrzeuge zuständige HZA. Dieses teilte mit, dass anhand der vorhandenen Daten nicht mitgeteilt werden könne, in welchem Umfang in den Pkw Einfuhrwaren enthalten seien. Daraufhin wurde auch im Einspruchsverfahren eine Behandlung der Fahrzeuge als Rückwaren abgelehnt. Die Anmelderin erhob daraufhin Klage beim FG. Das FG gab dem HZA auf, die erforderlichen Unterlagen von der Herstellerin einzuholen. Gegen dieses Auskunftsverlangen des HZA ging die Herstellerin im Wege des Einspruchs und dann der Klage vor dem FG vor, allerdings erfolglos.

Der BFH hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Inanspruchnahme der Herstellerin (Klägerin und Revisionsklägerin) durch das HZA (Beklagte und Revisionsbeklagte) rechtmäßig sei.

Das FG hatte in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Erhebung der Abgaben auf den Wert des kompletten Fahrzeugs, obwohl in den Pkw nur in geringem Umfang Drittlandsteile enthalten sind, gegen den Wirtschaftszollgedanken verstoße. Sei eine Person nicht in der Lage, die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, so habe die Zollbehörde alle zugänglichen Angaben zu liefern. Dabei müssten gem. Art. 14 ZK alle unmittelbar und mittelbar an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligten Personen auf Verlangen der Zollbehörden alle Unterlagen und Angaben zur Verfügung stellen und jede erforderliche Unterstützung gewähren. Da der Reimport von der Klägerin hergestellte Waren betreffe, sei sie am Zollverfahren der Anmelderin mittelbar beteiligt und daher letztendlich auch auskunftspflichtig.

Die Klägerin hingegen meint, dass das FG Art. 6, 14 ZK und Art. 2 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) unzutreffend auslege. Außerdem sei es für sie unzumutbar, die geforderten Unterlagen vorzulegen;  Betriebsgeheimnisse würden offenbart und es bestehe eine Gefahr von Nachahmungsfällen.

Entscheidung

Der BFH ist der Auffassung des FG nicht gefolgt, sondern hält die Revision der Klägerin für begründet.

Das HZA sei seiner Ermittlungspflicht bereits vor Erlass des angefochtenen Auskunftsverlangens nachgekommen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 ZK muss der Antragsteller der Zollbehörde alle erforderlichen Unterlagen und Angaben liefern, die von der Behörde für die Entscheidung benötigt werden. Insofern verdränge der Beibringungsgrundsatz gem. Art. 6 Abs. 1 ZK den allgemeinen Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 88 Abgabenordnung (AO) und damit auch die Mitwirkungspflichten Dritter nach §§ 93 und 97 AO.

Ebenso rechtfertige der vom FG angeführte Wirtschaftszollgedanke eine Erhebung der Abgaben bei der Anmelderin, denn die Entstehung des Zollanspruchs des Einfuhrlandes knüpft an den Eingang der Ware in den Wirtschaftskreislauf dieses Landes an. Hinsichtlich der reimportierten Waren sei dies gegeben, da sie durch die vorherige Ausfuhr zu Drittlandswaren geworden sind.

Nach Art. 2 ZKDVO sind Zollbehörden von Amts wegen verpflichtet, die Unterlagen und Angaben bereitzustellen, die ihnen zur Verfügung stehen, wenn eine Person nicht in der Lage ist, die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Im vorliegenden Fall ist das HZA dieser Verpflichtung durch Übersendung des INF 1 nachgekommen. Es ergebe sich aber weiterhin aus Art. 2 ZKDVO keine Verpflichtung der Behörden, erforderliche Angaben zugunsten des Anmelders erst noch zu erheben. Fehlen den Behörden erforderliche Unterlagen, gilt Art. 6 ZK. Ein Auskunftsverlangen bei der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen. Sollte das HZA über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus Sachverhaltsaufklärung betreiben, dürfe es jedenfalls nicht Dritte zur Mitwirkung verpflichten.

Auch die Voraussetzungen des Art. 14 ZK seien nicht gegeben. Eine wenigstens mittelbare Beteiligung an der Einfuhr der Pkw liege nicht vor. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs gem. Art. 14 ZK setze eine Beteiligung des Betreffenden an den konkreten Vorgängen voraus, auf die die Zollbehörde zollrechtliche Vorschriften anwenden will. Eine mittelbare Beteiligung hänge vom gesamten wirtschaftlichen Vorgang ab. Es liege jedoch kein Anhaltspunkt vor, der es rechtfertigen könnte, die Ausfuhr der Pkw durch die Klägerin und die Wiedereinfuhr durch die Anmelderin als einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zu betrachten. Des Weiteren habe die Klägerin die Fahrzeuge nicht mit der Absicht eines Reimports ausgeführt.

Der BFH entschied außerdem, dass ein Auskunftsverlangen für die Klägerin unzumutbar wäre, da das HZA nicht berechtigt sei, Daten nur zum Zweck der Begünstigung eines Reimports zu verlangen.

Praxishinweis

Die Hersteller von reimportierten Fahrzeugen unterliegen nicht ohne Weiteres einer Mitwirkungspflicht zugunsten des Reimporteuers der Waren, der diese als Rückwaren anmeldet, um von Einfuhrabgaben befreit zu werden. Zollbehörden können nur dann Auskunft verlangen, wenn der Betreffende unmittelbar oder mittelbar an den konkreten wirtschaftlichen Vorgängen beteiligt ist. Bei Reimporten mangelt es jedoch regelmäßig an einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zwischen Ausfuhr durch den Hersteller und Wiedereinfuhr durch andere Anmelder, so dass der Hersteller nicht als mittelbar beteiligte Person nach Art. 14 ZK anzusehen ist.

Der Reimporteur der Waren, der diese als Rückwaren anmeldet, um von Einfuhrabgaben befreit zu werden, sollte beachten, dass er als Antragssteller zur Beibringung der entsprechenden Unterlagen verpflichtet ist und das HZA insoweit auch keine Pflicht zur Beschaffung der erforderlichen Daten trifft. Das HZA muss lediglich die ihr verfügbaren Unterlagen dem Zollanmelder zur Verfügung stellen, wenn dieser nicht in der Lage ist, die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

Bei Auskunftsersuchen durch die Zollbehörden ist daher im konkreten Fall zu prüfen, ob überhaupt eine Verpflichtung besteht, die gewünschten Unterlagen herauszugeben.